Irland Route 4 – Busfahrt von Limerick zur Dingle-Halbinsel
Busfahrt von Limerick zur Dingle-Halbinsel
Für
den heutigen Sonntag, den 10.06.2012 sollte uns unsere Busfahrt
von Limerick aus auf die Dingle Halbinsel, den nördlichsten
der "fünf Finger" im Westen Irlands führen.
Laut Kurzbeschreibung der Reiseagentur Berge + Meer sollten uns
hier farbenfrohe Dörfer erwarten und wir sollten von der wunderschönen
Landschaft verzaubert werden. Die Reisenden sollten mit dem Zusatzpaket
eigentlich heute das traditionelle irische Fischgericht "Seafood
Chowderd" einnehmen, aber das Vergnügen hatten wir ja
schon am Vortag gehabt.
Wie jeden Morgen im Bus, so gab es auch an diesem Vormittag von
Simone ausführliche Informationen zu einem Teil der irischen
Kultur bzw. Gesellschaft. An diesem Tag hatte sie das Thema irische
Zigeuner, die Kranken- und Sozialversicherung in Irland und letztlich
noch das St. Brigida Strohkreuz als Glaubenssymbol der Iren.
Stadtauswärts von Limerick hatte Simone zunächst das
Thema Zigeuner. Wie so oft in ihren Vorträgen lässt
sie dabei einen Zeitungsartikel durch den Bus gehen, in dem zwei
Fotos einen Wohnbezirk vor Niederlassung der Zigeuner zeigt und
nach deren Wegzug. Das Gebiet auf dem Foto nach dem Wegzug sah
aus, als sei dort eine Bombe eingeschlagen; es war quasi alles
verwüstet und total zugemüllt.
Ein trauriges Bild im wahrsten Sinne des Wortes, aber nicht nur
für die Hinterlassenschaft der Zigeuner, sondern auch für
die Zigeuner selbst. Simone erzählt, die irischen Zigeuner
werden von der Gesellschaft "Travellers" (Reisende)
genannt, haben aber wenig mit den Sinti und Roma gemein. Sie leben
auf der Straße und verdienen ihren Lebensunterhalt mit Handel
(oft Pferden), Handlesen oder als nicht sesshafte Handwerker.
Die Zigeuner bezeichnen sich selber als "Pavee", werden
seit je her diskriminiert, haben eine geringe Lebenserwartung
mit einer hohen Kindersterblichkeit und einem niedrigen Bildungsniveau.
Die irische Regierung versucht seit Jahrzehnten, die Pavee sesshaft
zu machen und bietet Programme zur Unterstützung in den
Kommunen an. Die für die Zigeuner angelegten Siedlungen
befinden sich zumeist in abgelegenen Regionen und führen
deshalb auch wieder zur Ghettoisierung ohne Integration in die
Gesellschaft.
Nach dieser Geschichte erzählt Simone einiges über
das Sozial- und Gesundheitssystem in Irland und dabei können
einem die Tränen kommen, denn nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch
des Landes haben die Menschen scheinbar nichts mehr zu lachen.
Simone erzählt von häuslicher Pflege taggleich nach
einer schweren Operation oder Entbindung, von langen Wartezeiten
bei Ärzten und in Krankenhäusern und von einem Rentensystem
das daraufhin zielt, dass die Iren erst ab 80 Jahren ihre Altersrente
erhalten. Ich persönlich konnte und wollte mir das alles
gar nicht so merken, war aber dennoch so gefesselt von den Erzählungen,
dass ich letztlich von der Landschaft, durch die wir an diesem
Vormittag gefahren sind, wenig mitbekommen habe.
Ein
Reed gedecktes Haus ist mir in Erinnerung, weil ich davon ein
Foto mit meiner Kamera hatte und mir danach wieder eingefallen
ist, dass Simone diesen Ort besonders erwähnt hat. In diesem
Moment waren wir durch "Adare" gefahren, hier sollten
wir zwei Tage später noch einmal eine kurze Pinkel- und Kaffee-Pause
machen. Zwischen Adare und der Dingle-Halbinsel durchfuhren wir
leicht hügelige Regionen mit einem satten Grün, Baumbewuchs
und tatsächlich in der Ferne auch einmal Windräder.
Sonst hat man hier und da größere Solarparks gesehen
und Simone meinte wohl auch, dass in Solarstrom sehr viel investiert
wird. Häuser und Wohnsiedlungen hat man gesehen, die baufertig,
aber unbewohnt waren, weil die Bauherrn nach der Immobilen Krise
ihre Hypotheken nicht mehr bezahlen konnten und die Häuser
nun unbezahlbar sind.
Bevor
es dann zur "Inch Beach" ging, eine lang gezogene Nase
an der Dingle-Halbinsel, gab es von Simone noch eine schöne
Geschichte über das St. Brigida Strohkreuz als Glaubenssymbol
der Iren. Dazu reichte sie dieses Mal kein Schriftstück,
sondern ein echtes Strohkreuz durch den Bus, eben das so genannte
"St. Brigida Strohkreuz".
Es ist die Geschichte von St. Brigida - Maria der Gaelen oder
Kelten-Äbtissin und Patronin von Irland. Sie wurde im Jahre
453 geboren, gründete die erste Klostergemeinschaft für
Frauen in Irland und verstarb im Jahre 524 n.Chr. Ihr Festtag
fällt auf den 1. Februar eines jeden Jahres.
Der Überlieferung nach half sie mit ihrer unbegrenzten
Nächstenliebe vielen armen Menschen, die an ihrem Elternhaus
vorbeigingen. Ihrem Vater, ein sturer irischer Heide missfielen
diese Gesten und als die Vorräte der Familie durch die Freizügigkeit
der Tochter zu Ende gingen, wollte er sie aus Wut, wie vormals
ihre Mutter, in die Sklaverei verkaufen. Doch als er in die Milchkammer
kam, fand er anstelle leerer Behältnisse, volle Butterfässer
und Milchschüsseln. Gott, so die Überlieferung, hatte
ein Wunder bewirkt und der Tochter geholfen.
Als der Vater im Sterben lag und seine Tochter lange bei ihm
wachte, floch sie ein Kreuz aus Binsenstroh, das überall
am Boden lag und legte dieses Kreuz zu seinen Füßen
ins Bett. Als der Vater diese Geste sah bat er sie, ihm die Bedeutung
des Kreuzes zu erklären. Der Vater fing an zu glauben und
starb letztlich als Christ.
Seither ist dieses Kreuz nicht nur Symbol für den Glauben,
sondern auch ein Symbol zur Abwendung von Hunger und Unglück.
So wie man in Deutschland neuen Nachbarn beim Einzug Brot und
Salz schenkt, so werden in Irland derartige Kreuze geflochten
und in den Häusern aufgehängt.
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